Die Mitarbeiter von ImmobilienScout24 konnten sich für das Freilandlabor Britz bereits in den Social Day Projekten in der High-Deck-Siedlung und im Heidekampgraben in Neukölln engagieren. Die Umweltbildung stellt ein wichtiges Standbein der Arbeit dar, doch nicht nur. Wie vielfältig und wichtig die Arbeit des Vereins in einer Großstadt wie Berlin ist, erfahre ich im Gespräch mit Ursula Müller, die bereits seit 1988 Geschäftsführerin des Freilandlabors Britz ist.
Was macht das Freilandlabor Britz und welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit?
Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Umweltbildung für Kinder und Jugendliche: Ein Standbein sind Kita-Gruppen mit Kindern ab drei Jahren. Ein weiteres Standbein ist der Unterricht mit Schulklassen aus verschiedenen Schulen, hauptsächlich der Südberliner Bezirke, der unter anderem hier im Britzer Garten stattfindet.
In den fast 30 Jahren unseres Bestehens hat sich unser Aufgabenfeld auch erweitert. Ein neuer Standort ist das sogenannte Forscherzelt auf dem Tempelhofer Feld, weil es dort eine spannende Ökologie gibt. Wir haben derzeit dort vorrangig Kita- und Schulklassenbetrieb. Was außerdem ganz wichtig ist: Wir gehen mit besonderen Projekten zur Umweltbildung in die Stadtquartiere – die sozialen Brennpunktbereiche – hinein.
Ein weiteres Standbein unserer Arbeit sind Führungen und Aktionen, die wir hier im Britzer Garten anbieten. Wir versuchen, den Besuchern u.a. schwere, biologische Informationen auf einfachem Weg zu vermitteln und sie für die Natur zu begeistern.
Wir bieten auch Eltern-Kinder-Veranstaltungen über Volkshochschulen an, und ich mache alle drei Monate Veranstaltungen für einen Freizeitclub einer Behinderteneinrichtung. Das ist eine Zielgruppe, die wir noch weiter erschließen möchten.
Wie sieht Ihre Arbeit in den sozialen Brennpunktbereichen genau aus?
Soziale Brennpunktbereiche werden in Berlin im Rahmen eines Quartiersmanagements besonders betreut und gefördert. Wo ein Brennpunktbereich ist, wird vom Land Berlin entschieden und richtet sich nach der sozialen Struktur und den Problemen in den jeweiligen Quartieren.
Wir engagieren uns dann in den besonderen Projekten zum Thema „Förderung der Umweltbildung“ mit Kitas, Schulen oder Freizeiteinrichtungen. Ziel ist, mehr Natur- und Umweltverständnis zu fördern, z.B. Abfall in den Grünflächen zu vermindern oder einfach ein lebenswerteres Umfeld zu schaffen. Dafür führen wir beispielsweise Bepflanzungsaktionen durch wie beim Social Day-Projekt mit ImmobilienScout24 in der High-Deck-Siedlung. In diesem Rahmen kooperieren wir auch mit städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die Umweltbildungsarbeit einer Kindereinrichtung in der Gropiusstadt unterstützen.
Sie sind ja im gesamten Südberliner Bereich tätig und Neukölln liegt Ihnen als Neuköllnerin sehr am Herzen. Gibt es weitere Besonderheiten in der Umweltbildung und den Projekten in Neukölln?
Wir sehen gerade in der Arbeit in den Quartieren, dass es immer wieder wichtig ist, bestimmte Themen zu spielen und dass es ein Trugschluss wäre, zu denken: „Wir sind alle schon wahnsinnig nachhaltig“. In der High-Deck-Siedlung in Neukölln zum Beispiel gibt es oft nur ein geringes Umweltbewusstsein. Aber wir haben hier einen Naturentdeckungspfad wieder hergerichtet. Dieser wurde bisher nicht wieder zerstört oder mit Graffiti beschmiert. Darauf sind wir sehr stolz, denn es ist für diese Gegend völlig ungewöhnlich.
Mit Mädchen in einem Jugendtreff haben wir neulich einen Workshop zum Thema Naturkosmetik durchgeführt, außerdem berate ich unter anderem besonders Mütter mit Migrationshintergrund, zum Beispiel in einem Workshop zum Thema „wettergerechte Kleidung“. Denn viele ziehen ihre Kinder nicht dem Wetter entsprechend an. Um das Publikum in Neukölln zu erreichen, müssen wir stets kreativ sein. Wir arbeiten an dem Standort Neukölln auch anders als andere Umweltzentren in Berlin. Während das Ökowerk in Charlottenburg etwa eine Veranstaltung zum Thema „ökologisches Bauen“ machen kann, interessiert das viele Leute hier in Neukölln nicht.
Wie gut ist denn das Naturverständnis der Kinder, die in Neukölln aufwachsen? Wie gut kennen sich Großstadtkinder im Grünen aus?
Es gibt Kinder, die kaum etwas wahrnehmen. Für uns ist es aber auch nicht wichtig, dass die Kinder sofort wissen, um welches Tier es sich handelt. Über Streifzüge durch die Natur oder Projekte wollen wir den Kindern das Schauen, das Anfassen, das Feststellen von Unterschieden, das Fragen beibringen. Manche Kinder sind dadurch schon zu richtigen kleinen Biologen geworden.
Die Möglichkeit zu fragen, ist uns sehr wichtig. Ich lerne ja nur, wenn ich frage. Das wollen wir auch altersunabhängig fördern, genauso wie das Überwinden von Ängsten vor manchen Tieren. Oft überträgt sich die Angst schon von den Eltern auf die Kinder. Wir haben im Pavillon im Britzer Garten zum Beispiel ein ein Meter großes Spinnenmodell aus Wolle und manche – egal ob Kind oder Erwachsene – erschrecken davor. Wieder andere fragen: „Gibt es die wirklich?“ Genau das wollen wir mit so einer Modellspinne erreichen.
Sie sind ja in sehr vielen Bezirken der Stadt durch die Arbeit mit Schulklassen und Kitas präsent. Durch welche anderen aktuellen Projekte sind Sie mit Ihrer Arbeit noch in der Stadt verankert?
Wir haben uns zum Beispiel dem Projekt des rbb und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung zum Thema „Füchse in der Stadt“ angeschlossen. Von den Bürgern in Berlin werden Fotos oder Geschichten über Begegnungen mit Füchsen auf einer Webseite des rbb gepostet. Denn es gibt bisher sehr wenige Erkenntnisse über den Fuchs in der Stadt. All diese Daten werden auch wissenschaftlich genutzt, um mehr über den Fuchs als Wildtier in der Stadt zu erfahren. So entstand übrigens die Idee für unsere aktuelle Ausstellung „Nachbar Fuchs“ im Britzer Garten.
Natürlich bekommen wir auch über die Grün Berlin GmbH, den Betreiber unseres Parks, sehr viel mit. Ebenso beteiligen wir uns seit 2007 an dem „Langen Tag der Stadtnatur“ der Stiftung Naturschutz Berlin. Anfangs wurde das Projekt gerade von der Verwaltung und Politik kritisch betrachtet, mit 20.000 Besuchern jährlich kann diese Veranstaltung es aber beinahe mit der „Langen Nacht der Museen“ aufnehmen.
Wenn Sie von Ihrem umfassenden Engagement in Neukölln sprechen, habe ich den Eindruck, dass Sie sehr nah an den Bürgern arbeiten. Stimmt das?
Wir arbeiten – gerade wenn es um die Wohnumfeldverbesserung oder die Freiflächengestaltung geht – immer mit Nutzerbeteiligung. In der Schule oder Kita beispielsweise legen wir sehr stark den Fokus auf die Kinder und Jugendlichen– sie sagen, wie das Kita- oder Schulgelände aussehen soll, da sie es jeden Tag nutzen.
Bleibt Ihnen da noch Zeit für die globalen Probleme?
Die globalen Umweltprobleme überlassen wir Greenpeace oder Robin Wood. Wir arbeiten aber auch mit ihnen zusammen, zum Beispiel im Projekt „Papierwende“.
Was ist Ihre Idee zum Thema Papierwende?
Die Papierwende ist eine bundesweite Initiative, die schon seit Jahren besteht. Da geht es einmal darum, Menschen zu motivieren, Papier zu sparen – also auch aufzuspüren, wo überall sinnlos Papier verwendet wird. Und dann soll auch Recyclingpapier verwendet werden. Für die nächsten zwei Jahre haben wir uns die Erschließung neuer Zielgruppen vorgenommen. Bisher waren Schulen unsere hauptsächliche Zielgruppe. Wir wollen zu dem Thema städtische Gesellschaften wie „Stadt und Land“ oder Träger von Wohlfahrtsverbänden ansprechen, aber auch an Unternehmen herantreten, mit denen wir schon zusammenarbeiten, z.B. auch Ihre Firma. Zunächst möchten wir den Papierverbrauch erfragen und herausfinden, ob so etwas wie das „papierlose Büro“ realisierbar ist. Wir würden auch gerne das Thema den Mitarbeitern von Unternehmen und ihren Familien für deren privaten Papierverbrauch nahebringen.
Das erste Social Day-Projekt gemeinsam mit ImmobilienScout24 fand im letzten Jahr statt. Wie sah die bisherige Zusammenarbeit aus?
Im letzten Jahr haben wir in der High-Deck-Siedlung zum einen am Heidekampgraben gearbeitet. Auch in diesem Jahr hat die Quartiersmanagerin von der High-Deck-Siedlung gleich ihr Interesse angemeldet, als Ihre Anfrage für den Social Day kam. Da haben wir verschiedene Insektenhotels für einige Kitas gebaut und u.a. eine Pflanzaktion zusammen mit den Kindern durchgeführt.
Gab es überraschende Erlebnisse an den Social Days?
Wir dachten im Vorfeld des ersten Social Days „Es wird von 20 Mitarbeitern sicherlich auch vier oder fünf Leute geben, die nicht ganz so interessiert sind.“ Wir waren dann völlig perplex, dass alle angepackt haben und alles ruckzuck fertig war. Deshalb haben wir für dieses Jahr viel detailliertere Projektpläne geschrieben. ImmobilienScout24 war für uns der Auftakt. Da die Zusammenarbeit gut funktioniert hat, sind wir auch motiviert für die nächsten Anfragen von Firmen. Wir fühlen uns jetzt gut gerüstet.
Wie haben die Kita-Kinder, die Sie und unsere Mitarbeiter bei dem Social Day Projekt unterstützt haben, den Tag erlebt?
Die Kinder haben schwere Gräserballen mit ihren Dreirädern zum Pflanzstandort transportiert und hatten riesigen Spaß dabei. Uns hat sehr begeistert, dass die Kita-Kinder – die oft nicht wissen, was sie spielen sollen – anhand der Social Day-Aktion Transportieren und sich Absprechen, ganz allgemein das soziale Lernen, gelernt haben: „Wenn ich es alleine nicht schaffe, muss ich den anderen ansprechen, damit er mir hilft.“ Sie lernen so auch, Geduld und Ziele zu entwickeln, eine Grundvoraussetzung für jedes spätere Lernen.
Die Kinder haben das Projekt stolz als ihre Arbeit und nicht mehr als Spiel aufgefasst. Am Ende des Tages waren die Betreuer müde und die Kinder putzmunter und haben gesagt: „Wir haben richtig gearbeitet.“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft und wofür benötigen Sie bei Ihrer Arbeit weitere Unterstützung?
Es sieht so aus, als könnte sich unser langgehegter Wunsch, eigene Baulichkeiten zu bekommen, bald erfüllen. Daneben wünschen wir uns eine akzeptable personelle Besetzung, da wir bei Weitem nicht alle Anfragen, die wir von Schulen bekommen, bedienen können. Außerdem haben wir fast zwölf Jahre lang keine Erhöhung von Zuwendungen erhalten und arbeiten alle noch zu alten Tarifen. Wenn wir ein bisschen mehr Mittel und Personal hätten, könnten wir hier noch mehr aufbauen und beispielsweise den Generationswechsel im Verein mit längerem Vorlauf vorbereiten, um all unser Wissen weiterzugeben. Aber Berlin ist immer noch eine arme Stadt, von daher müssen wir fast froh sein, dass wir 25 Jahre lang ohne Kürzungen arbeiten konnten und durchgehend gefördert wurden.
Vielen Dank für das spannende Interview!
Text & Interview: Jessica D’Ovidio
Fotos: Jessica D’Ovidio, Freilandlabor Britz
Ich finde das Projekt Social Day wirklich toll!
Wir auch! 🙂 Wir freuen uns schon riesig auf den nächsten Social Day.