In loser Reihenfolge duellieren sich hier ImmobilienScout24-Mitarbeiter zu Themen rund ums Wohnen. Diskutiert mit und sagt eure Meinung zum Thema in den Kommentaren!
A: Zu Fuß ins Kino und das Leben vor der Tür
von Dorothee Lüke
„Entweder man hat ein Haus, oder man wohnt in Berlin“ – sagt eine Freundin zu mir, als wir uns über das Thema Wohnungssuche unterhalten.
Ich bin definitiv der Berlin-Typ, Innenstadt-Bezirk, innerhalb des S-Bann-Rings. Aufgewachsen am Stadtrand von Dortmund (ja, ich war immer die mit dem längsten Schulweg und die, die uncool von den Parties noch von den Eltern abgeholt wurde), lag meine erste Berliner Wohnung an der Potsdamer Straße. Neubau, 6. Etage, alle Fenster zur Straße, versteht sich.
Noch heute kriege ich Heimatgefühle, wenn ich an meiner alten Wohnung vorbeifahre, da, wo Leben ist, der Supermarkt gegenüber, die Entfernung zu Staatsbibliothek und Straßenstrich ungefähr gleich, Stadt eben.
Ich konnte zum ersten Mal in meinem Leben zu Fuß ins Kino gehen, ein Kriterium, an dem sich alle Nachfolgewohnungen messen lassen mussten (auch wenn ich gar nicht mehr so oft ins Kino gehe).
Mittlerweile hat es mich nach acht Jahren Prenzlauer Berg nach Charlottenburg verschlagen, ins klassische alte West-Berlin, wo das Schwarze Cafe immer noch rund um die Uhr geöffnet hat, Menschen bei Rogacki vor dem Opernbesuch Austern schlürfen oder Blutwurst essen und ich jetzt sogar eine Fußgängerzone in Laufnähe habe. Und trotzdem gibt‘s die Spree und den Schlosspark für den Erholungsfaktor, man wird ja auch nicht jünger…
Ich mag es, urban zu leben, ich mag die Vielfalt meiner Nachbarn, ich mag es, den türkischen Supermarkt um die Ecke zu haben, das vietnamesische Restaurant in der nächsten Straße und die nächste U-Bahn in Laufweite.
Türkischer Supermarkt statt Event-Shopping-Mall
Die Vorstadtsiedlung mit Reihenhaus und Carport und den Nachbarn, die genau tracken, wer wann zu Besuch kommt und wann man das letzte Mal die Fenster geputzt hat, wären ein Graus für mich.
Gleich aussehende Häuser, gleich aussehende Menschen und gleich aussehende Autos finde ich langweilig.
Und dann die Sache mit den Parkplätzen. Gibt es eigentlich einen spießigeren Grund, sich für oder gegen eine Wohngegend zu entscheiden, als es von der Existenz von Parkplätzen abhängig zu machen? Nein, die findet man in der Stadt nicht an jeder Ecke. Wenn man ehrlich ist, braucht man sie aber auch nicht unbedingt. Es sei denn, man muss mit dem SUV am Supermarkt vorfahren, um der Nachbarschaft zu zeigen, dass man mithalten kann.
Oder, um noch mal „reinzufahren“, zum abendlichen Kinobesuch ins Multiplex-Center (denn nur dort gibt es ja das Parkhaus, s.o) oder zum wochenendlichen Event-Shopping in der Event-Shopping-Mall.
Klar, ich liege im Urlaub auch gerne mal am menschenleeren Strand und genieße die Ruhe und verzichte auf städtischen Trubel.
Aber irgendwie fehlt es mir dann auch schon, dieses Rauschen, das in der Großstadt nie ganz aufhört, und das mir immer zeigt: Hier ist das Leben.
Nein, ich habe kein Haus, ich wohne in Berlin.
Dorothee Lüke, geboren im Ruhrgebiet, lebt seit 17 Jahren in unterschiedlichen Stadtteilen in Berlin, die eines gemeinsam haben: innerhalb des S-Bahn-Rings müssen sie sein. Sie mag die Spree vor der Haustür und alte Industriedenkmäler. Worauf sie nicht verzichten würde: ein multikulturelles, kulinarisches Angebot und eine U-Bahn-Station in der Nähe.
B: Grün statt Graffitis
von Boris Borchert
Ein kurzer Arbeitsweg wäre ja ganz schön, wenn ich in Mitte oder Friedrichshain wohnen würde. Trotzdem habe ich mich gegen das Wohnen in der Stadtmitte entschieden. Bei mir singen am Sonntagmorgen die Vögel, wenn ich zum Bäcker laufe. In den Szenebezirken kriechen um diese Uhrzeit gerade Touristen und Hipster zombifiziert aus den Löchern der musikalischen Unterhaltung dieser Stadt, um auf dem Bürgersteig gegen die erbarmungslose morgendliche Sonne sowie ihren Gleichgewichtssinn zu kämpfen. In meinem „uncoolen“ Bezirk wimmelt es von Bäumen und nicht von Touristenmassen. Diese verirren sich selbst im Sommer nur mäßig an die nah gelegenen, wunderschönen Seen und so gut wie nie in die umliegenden Parks.
Ich wohne an der Grenze von Wilmersdorf zu Steglitz, außerhalb des Außenrings der S-Bahn. Das gilt in Berlin schon als ziemlich weit draußen. So tief in den Westen der Stadt sind einige meiner Kollegen noch nie vorgedrungen und würden sicherheitshalber wahrscheinlich ein Überlebenspack mitnehmen, wenn sie es denn müssten. Ich mag Berlin und wohne gerne hier. Es ist die Stadt in der ich geboren und aufgewachsen bin. Ich hatte deshalb lange genug Zeit, diverse Orte in Berlin zu erkunden und ich liebe es. Aber es ist nicht das Berlin der Szenebezirke, sondern das Berlin der Ruhe und Entspannung, welches ich als Wohnort schätze.
Draußen spielen
Ich kann meinen kleinen Grundschulkindern sagen, dass sie draußen spielen können ohne dass ich Angst haben muss, dass sie von einem Laster plattgebrettert werden. Der Spielplatz ist nur ca. 50 Meter weg und die Spielstraße keine Gefahr, sondern eine ideale Spielbahn für Rollschuh-, Skateboard- und Radfahrübungen. Dann sind da noch der kleine aber feine Garten und die Hängematte, die auf mich warten. Glück kann aus einem Holzgestell und einer Baumwollmatte dazwischen bestehen. Meine Nachbarn grüßen mich wenn ich nach Hause komme freundlich, anstatt wie in einem anonymen Hochhausblock nicht einmal zu wissen, wer ich bin. Die Imbissbude neben der Schule der Kinder serviert zwar keinen „Jägermeister mit Irgendwas-Cocktail“, aber Pommes rot-weiß für 1,50 Euro. Zugegeben, man kann nicht beim „Diese Pampe ist gerade in“ – Laden in der Schlange stehen und das beliebte Ratespiel Hipster oder Penner mit vorbeieilenden Passanten spielen. Dafür kann ich bei einem guten Italiener in der Nähe sitzen ohne zwei Wochen vorher reserviert haben zu müssen. Die Restaurants in meiner Gegend haben Stühle, auf denen man gemütlich den Abend verbringen kann. Keine Läden mit minimalistischer Einrichtung und ebensolchem Sitzkomfort wo man als Gast eher geduldet denn gewünscht ist, während sich neue Gästetrauben bereits am Eingang sammeln und nach dem harten Platz gieren.
Parkplatz vor der Tür
Wir haben einen Parkplatz vor unserer Tür. Obwohl ich kein großer Autofan bin, ist es doch allein für die logistischen Aufgaben der Kinderbetreuung bei uns recht unerlässlich. Apropos Kinder. Die Kinder haben sofort einen Platz an unserer Wunschgrundschule erhalten, kaum denkbar in der Stadtmitte. Ich brauche mit dem Fahrrad unter 10 Minuten, um im Sommer zwei schöne Biergärten zu erreichen. Ist der eine Biergarten voll, gehe ich halt in den anderen 50 m weiter. Nachts herrscht friedliche Stille, von gelegentliche Katzenkämpfen im Garten abgesehen. Selbst zur Fußball-WM werden keine grölenden Horden durch unsere Straße ziehen. Stattdessen gibt es vielleicht ein Public Viewing der Nachbarn mit Grillen im Garten.
Jederzeit kann ich zu Fuß zu einer großen Spielwiese auf der Domäne Dahlem (ein Bauernhof mitten in der Großstadt) laufen, um z. B. im Herbst Drachen steigen zu lassen. Manche werden es vielleicht als Nachteil ansehen, aber ich begrüße es auch, dass man in den Parks bei mir nicht alle fünf Meter von einem Dealer in den Büschen auf sein Verkaufsrepertoire hingewiesen wird.
Sollte mich doch einmal das unstillbare Verlangen packen, ein Matcha-Eis zu essen, kann ich mit der S-Bahn nach Mitte fahren (Parkplätze gibt es dort ja nur gerüchteweise). Und glücklicherweise auch ebenso schnell wieder zurück. Eher verlangt es mich allerdings nach einer Grillsession im Sommer, die ich auf der eigenen Terrasse jederzeit ohne Stress mit den freundlichen Nachbarn abhalten kann.
Ich genieße es einfach „jwd“ zu wohnen, wie der Berliner sagt.
Boris Borchert ist gebürtiger Berliner und wohnt seit drei Jahren am Stadtrand. Den langen Arbeitsweg mit der S-Bahn nutzt der Marketing-Manager zum Update aller Sozialen Netzwerke auf Smartphone oder iPad.
Also, das ist ja alles ganz nett. Aber wir sind uns doch wohl einig, dass es auf dem Dorf am Schönsten ist? Die frische Luft, diese Ruhe. Diese netten Menschen, die man täglich an der Bushaltestelle trifft. Die Bäume, die man sogar benennen kann… Hach.